Die Hosen der modernen Frau

Die Schrift

Manche Christen sagen, dass Frauen keine Hosen tragen dürften, weil in 5. Mo 22, 5 geschrieben steht, dass Männerzeug nicht auf einer Frau sein darf, und Männer keine Frauenkleidung tragen dürfen. Andere erwidern, dass die heute übliche Frauenkleidung in der Regel eben Hosen seien. Wieder andere, die noch nie Kontakt mit Christen aus einer Rock-und-Zopf-Gemeinde hatten, haben sich oft mit der Frage noch gar nicht auseinandergesetzt. Wenn sie diesen Artikel gelesen haben, werden aber auch sie, in irgendeiner Form, Stellung beziehen müssen.

Die Frage, ob Röcke die in unserem Kulturkreis übliche Frauenkleidung sind, weil es Jahrhunderte lang so war, oder Hosen, weil es heute üblich ist, wird im Zusammenhang mit 1. Ko 9, 16–23 noch einmal interessant. Die Passage wird oft mit „den Juden ein Jude, und den Griechen ein Grieche“ wiedergegeben, und als Argument dafür verwendet, dass sich Christen dem Lebensstil ihrer Umwelt anpassen sollten, „um die Menschen zu gewinnen“. Das halte ich für verkürzt, denn dieser Wortlaut steht so gar nicht da. In dem Text wird auch gar nicht verlangt, dass Christen genau den Lebensstil ihrer Umwelt kopieren; in der Passage geht es nicht um Kleidungs-, Musik- oder sonstige Stilfragen, sondern um „das Gesetz“. Als Christ sollte man seine Mitmenschen aber zu einer Bekehrung zu Jesus Christus aufrufen, und nicht dazu, einen (bestimmten) Kleidungs- oder Lebensstil zu übernehmen. Folglich ist es zweckmäßig, dass man sich an die Sitten des jeweiligen Kulturkreises anpasst, ob es nun die Kleidung, die Ernährung, oder die Umgangsformen betrifft. Das halte ich nicht nur wegen der Mission für sinnvoll, sondern auch, weil es in der Regel Sitten sind, die sich in der jeweiligen Gegend bewährt haben. Außerdem erspart es einem eine Menge unnützen Ärger. Wenn die Sitten aber dem Wort Gottes widersprechen, dann kann man sie als Christ natürlich nicht mitmachen. Missionarinnen in Indien tragen deshalb Saris, weil es die dort übliche Frauenkleidung ist. Sie machen sich aber keinen roten Punkt auf die Stirn, weil dieser die Zugehörigkeit zum Hinduismus symbolisiert. Man kann auch sagen, dass die Missionarinnen auch in diesem Punkt die Sitten dort einhalten, denn sie sind ja keine Hindus, sondern Christen, und tragen die „Markierung“ dafür, die dafür dort üblich ist. Die Frauen der islamischen Minderheit in Indien tragen den Punkt traditionell ja auch nicht.

In der Bibel stehen oft keine konkreten Anweisungen, sondern Zielvorgaben. In Bezug auf Sitten wie Kleidung oder Umgangsformen ist das auch gar nicht anders möglich; es ist schließlich offensichtlich, dass sich Kleidung und Sitten in den einzelnen Kulturen und Zeitaltern unterscheiden. So heißt es beispielsweise, dass Christen einander „in Ehrerbietung einander vorangehen“ sollten. (Röm 12, 10) Wie diese Ehre zu erweisen ist, steht aber nicht da, Christen müssen dann eigenverantwortlich eine Entscheidung treffen. Manche sprechen sich mit „Bruder“ und Nachname an, andere mit „Bruder“ und Vorname, wieder andere nur mit Vornamen; wer will da entscheiden, wer da „recht“ hat, insbesondere da der Erweis von Ehre nicht nur von der Anrede abhängt. In der Bibel steht auch, dass Kleidung „anständig“ sein sollte, aber nicht, was „anständig“ konkret heißt, weil das eben von Epoche und Kulturkreis abhängt, von der Tätigkeit, der sozialen Stellung und Anderem mehr. Die Zuordnung Männer > Hosen, Frauen > Röcke ist nicht überall üblich, und hat sich auch bei uns geändert. Folglich kann man ein Hosenverbot für Frauen nicht als universelles biblisches Gebot sehen.

Gesellschaft

Andererseits ist Kleidung nicht beliebig. Die Formensprache einer Kultur ändert zwar, wie die Sprache auch, und derselbe Sachverhalt wird in einer anderen Zeit anders ausgedrückt. Wie die Sprache verändert sich die Formensprache in der Regel aber langsam. Bei der Sexualmoral kann man gut beobachten, wie sich die allgemeine Einstellung und die Kleiderordnung zueinander verhalten, weil es auf diesem Gebiet in den letzten Jahrhunderten einige Auf- und Abbewegungen gab. Ich sehe dabei einen deutlichen Zusammenhang: Je freizügiger die Sexualmoral war, desto größer auch die Ausschnitte der Frauen. Waren die Sitten dagegen restriktiver, dann haben sich auch die Frauen züchtiger gekleidet. Man muss nur einmal ein Kleid aus dem Rokoko mit einem aus dem Biedermeier vergleichen – und die dazugehörigen Einstellungen und Werte. Man würde sich heute wohl nicht mehr so kleiden, aber man erkennt ohne Probleme, was damit gemeint war. Wir würden heute auch nicht mehr so sprechen wie damals, aber man versteht die Texte aus diesen Epochen auch heute noch ohne Mühe. Die Einstellung der Männer hat sich im Laufe der Zeit natürlich ebenfalls geändert, aber das hatte weit weniger Einfluss auf ihre Kleidung als bei den Frauen. Der Zusammenhang zwischen Kleidung und Moral besteht dabei übrigens bis heute: Die Frauen kleiden sich nicht nur deshalb so „freizügig“, weil das die Mode so vorschreibt, sondern weil ihre Einstellung ebenfalls „freizügig“ ist: Die meisten Frauen hatten schon mehrere Sexualpartner, und bis zur Ehe wartet eigentlich kaum einer mehr – auch kaum ein Mann.

Die Umstellung der Frauen von Röcken auf Hosen ging ebenfalls mit Änderung der Einstellung bei den Frauen einher: Zuerst begannen überzeugte Feministinnen damit, Hose zu tragen, weil sie damit zeigen wollten, dass sie auch die Stellung des Mannes, insbesondere dessen Rechte einforderten. Sie nannten das „Gleichberechtigung“, was natürlich gelogen war, denn echte Gleichberechtigung, die auch gleiche Pflichten mit einschließen würde, war noch nie das Ziel dieser Feministinnen. Im Laufe der Zeit haben die meisten Frauen beides übernommen, die Hosen und die Forderung nach „Gleich“berechtigung ohne gleiche Pflichten. Inzwischen ist für die meisten Frauen das Tragen von Hosen kein bewusstes Bekenntnis mehr. Sie tragen Hosen, weil es die anderen auch machen, oder weil Hosen bequemer sind. Sie bezeichnen sich auch nicht als Feministinnen, vertreten aber praktisch alle feministisches Gedankengut; insbesondere halten sie „Gleich“berechtigung für richtig – und gleiche Pflichten für falsch. Wenn man so will, dann sind heute alle Frauen Feministinnen, nur halt nicht aufgrund einer Entscheidung, sondern weil es die anderen auch so machen.

Die Einstellung der Männer hat sich nicht ebenso grundsätzlich geändert wie die der Frauen, und ihre Kleidung auch nicht. Das heißt, Männerkleidung ist durchaus legerer geworden, genau wie ihr Verhalten. Das ist ein äußerer Ausdruck der geschwundenen Autorität. Zum Einen wird die Autorität der Männer nicht mehr so respektiert wie früher, zum Anderen hinterfragen auch die Männer die Autoritäten in ihrem Leben ja auch mehr als früher. Doch ich schweife ab, elegante Herrenkleidung hat sich in den letzten hundert Jahren kaum geändert, und das entsprechende Verhalten der Männer auch nicht. Auf Bällen, wo die alte Rollenverteilung noch gilt, und der Mann beim Tanzen führt, sehen die Frauen ebenfalls noch recht ähnlich aus wie damals. Auch im Dienstleistungssektor, wo Frauen ja auch nicht zeigen wollen, dass sie ihre „Rechte“ durchsetzen wollen, sind Röcke durchaus noch üblich, Stewardessen beispielsweise tragen selten Hosen.

So hat Eva Herman, die den Feminismus kritisiert hat, dann auch empfohlen, dass Frauen öfter mal einen Rock tragen sollten. Sie hat dabei aber nur gewisse Teilbereiche des Feminismus kritisiert, die sie persönlich gestört haben, oder bei denen sie Nachteile für Kinder sah; wesentliche Ungerechtigkeiten beim Feminismus, wie das Messen mit zweierlei Maß, oder die Tendenz, die Schuld immer beim Mann zu suchen, hat sie nicht angesprochen. Mit ihrer Karriere, ihren drei geschiedenen Ehen und nur einem Kind ist Eva Herman auch nicht unbedingt das Vorbild für eine christliche Frau. Man kann also vermuten, dass Menschen, die den Feminismus deutlicher ablehnen, dann auch mehr für Röcke sind. In der Tat lehnen viele konservative Christen Hosen für Frauen grundsätzlich ab. Wenn man mit diesen Kreisen in Berührung kommt, dann ist man erstaunt, wie viele Gemeinschaften das so sehen, wenn sie auch meist recht klein sind.

Zu den Standardargumenten dieser Hosengegner gehört dann, dass bis heute der Rock die Damentoilette symbolisiert. Ein weiteres sagt, dass man davon spricht, dass eine Frau „die Hosen anhabe“ wenn sie in der Ehe das Sagen hat. Das zeigt, dass Frauen in Hosen eben bis heute nicht als Normalfall betrachtet werden. Es gibt also Gründe, Hosen nicht als übliche Frauenkleidung, sondern als feministisches Symbol zu sehen, und damit abzulehnen; insgesamt ist die Quellenlage aber dünn, denn diesen Übergang zum Feminismus haben wir in der Neuzeit nur einmal erlebt, und können nur vermuten, wie die Welt aussehen wird, wenn diese Bewegung wieder abebbt – vielleicht werden die Frauen dann wieder Röcke tragen, vielleicht auch nicht. Hosen sind wohl tatsächlich praktischer.

Wesentlich deutlichere Aussagen kann man machen, wenn man die Frauen direkt nach der Einstellung zum Feminismus fragt. Man müsste annehmen, dass sich Christen ähnlich deutlich davon distanzieren wie von der Evolutionstheorie, oder von der sexuellen Revolution. Ein Christ, der nach der Bibel leben will, kann nämlich nicht gleichzeitig Feminist sein, denn die Bibel sieht keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau vor, und schon gar nicht die Bevorzugung ohne Gegenleistung, die man mit „Gleichberechtigung“ üblicherweise meint. Das heißt, in der Bibel sind die meisten Gesetze für Männer und Frauen durchaus gleich, aber manche Dinge sind Männern vorbehalten, bestimmte geistlichen Ämter beispielsweise, oder auch die Führung in der Ehe. Aber auch in den Bereichen, die in der Bibel nicht geregelt sind, ist das mit der Gleichberechtigung so eine Sache, denn sie gilt nur in eine Richtung: Frauen haben dabei dieselben Rechte wie Männer, umgekehrt haben Männer nicht dieselben Rechte wie Frauen. Männer müssen beispielsweise Kriegsdienst leisten, und im Bedarfsfall auch sterben, Frauen dagegen nicht. Das liegt angeblich daran, dass „Frauen die Kinder bekommen“, eine entsprechende Gebärpflicht für Frauen als Gegenstück zum Kriegsdienst gibt es aber nicht. – Gleichberechtigung ist das sicher nicht. Es ist viel mehr ein Messen mit zweierlei Maß, das in der Bibel ausdrücklich verboten ist. Die meisten Frauen heute finden diese Bevorzugung aber normal, ebenso normal wie das Tragen von Hosen, und selbst, wenn man sie darauf anspricht, fangen sie an, beides zu verteidigen.

Und ach ja: Die Bibel lehrt keine Gleichberechtigung, es ist also kein Messen mit zweierlei Maß, wenn es in der Bibel besondere Vorschriften für Frauen gibt. Eine Benachteiligung von Frauen ist es ebenso wenig, denn es gibt genauso Vorschriften, die nur für Männer gelten; und sie haben in etwa den gleichen Umfang wie die Stellen, die nur Frauen betreffen.

Christen

Damit haben wir eine ganz komische Situation: In manchen Kreisen liegen auf den Büchertischen Schriften, die darlegen, warum Frauen Röcke tragen sollten, auch noch ein paar Warnungen vor Fernsehen, Islam und Rockmusik, aber über den Feminismus gibt es nichts. Dass die Frauen „in der Welt“ Hosen tragen ist irgendwie ganz schlimm, aber was genau daran so schlimm ist, das weiß man nicht. Das an sich wundert, denn wenn es diesen Christen um Männer- und Frauenkleidung geht, dann wären doch noch andere Aspekte zu beachten, die Schuhe zum Beispiel. Außerdem lässt es sich ohne argumentativen Rückgriff auf den Feminismus kaum belegen, dass Röcke heute noch die übliche Frauenkleidung sind. Innerlich sieht es dann entsprechend aus: Die frommen Frauen sind, genau wie ihre Schwestern „in der Welt“, der Ansicht, dass sie keine Feministinnen sind. Wenn man sie aber darauf anspricht, dass sie von Männern wesentlich mehr erwarten, als sie selber bereit sind zu leisten, dann fangen sie an, diese Haltung zu verteidigen, automatisch, ohne nachzudenken, was der Mann eben gesagt hat. Das ist genau das Verhalten, das man von den „weltlichen“ Feministen auch kennt: Sie setzen sich mit Kritik nicht auseinander. Ich nenne die fromme Variante deshalb Kopftuch-Feminismus.

In den weniger strengen Kreisen sieht es nicht besser aus: Wenn die Christen dort argumentieren, dass Hosen heute die übliche Frauenkleidung seien, dann müssten sie auch angeben, was denn Frauenkleidung heute ausmacht, und das entsprechend einfordern. Das geschieht dort aber nicht. Vielleicht müsste man auch einmal darüber reden, wie AT-Stellen unter dem neuen Bund überhaupt zu bewerten sind, aber weglassen will das alte Testament anscheinend auch keiner. Wahrscheinlich wäre es am ehrlichsten, wenn die Menschen einfach zugeben würden, dass sie die Stelle gar nicht einhalten wollen. Aber selbst wenn man die Kleidung einmal beiseite lässt, mehr als Hunderttausend im Mutterleib abgeschlachtete Babys pro Jahr sollten auch einer modernen Frau ein Anreiz zum Nachdenken sein, wo denn die Grenzen ihrer Rechte liegen, insbesondere da ihr ein Dutzend Verhütungsmittel zur Verfügung stehen, damit es gar nicht erst so weit kommen muss. Aber auf den Büchertischen dieser Gemeinden findet man vielleicht noch eine Aufklärungsschrift über den Glauben der Bahai, der in Deutschland gerade einmal 12.000 Anhänger hat, aber über den Feminismus mit über 80.000.000 Sympathisanten, die eben auch die Legalisierung der Abtreibung durchgesetzt haben, findet man auf den christlichen Büchertischen nichts.

Selbst wenn man von diesen Diskussionen völlig unbeleckt ist, bleibt der Feminismus ein Thema: Land auf, Land ab wird darüber geklagt, dass Männer keine Verantwortung übernehmen würden. Genau das war doch ein Ziel der Feministen: Männer sollten weniger Ämter ausüben damit sie weniger Einfluss habe, und man hat die Regeln geändert um genau das zu erreichen. Die Maßnahmen waren erfolgreich: Heute haben Männer weniger Ämter, sie üben weniger Einfluss aus, und es ist auch wieder nicht recht. Man beklagt den Zustand, aber die Gründe dafür will man nicht wissen, und so wird auch nichts besser.

Wenn man fragen würde, wie Menschen gut miteinander auskommen, dann würde man übrigens auch wieder bei den Röcken landen: Genau zu dem Zweck werden doch heute noch Röcke getragen, bei Festen, und im Service: Weil es dann eben runder läuft zwischen Männern und Frauen, wenn die Frauen Röcke anhaben. Das ist sicher nicht der einzige Punkt, wahrscheinlich noch nicht einmal der wichtigste, eher ein Teil eines ganzen Paketes. Aber anscheinend lohnt es sich für Frauen, einen Rock zu tragen, sonst würden sie den Aufwand kaum treiben. Aber so weit kommen die Diskussionen unter Christen leider nicht, und entsprechend sieht es dann oft aus, in der Kleidung und im Miteinander.

Stand: 07.07.12