Heilig, gerecht und gut

Frauen

„Entschiedene“ Christen bekennen in der Regel, dass die biblischen Gebote zur Stellung der Frau „heilig“ sind: „Gott hat es so geboten, und folglich halten wir uns daran.“ Gottes Aussage geht aber weiter, er nennt sein Wort nicht nur „heilig“, er nennt es auch „gut“ und er nennt es „gerecht“. (Röm 7, 12b) Die meisten Christen haben aber ein Problem damit, wenn sie sagen sollen, dass es „gerecht“ ist, dass sich die Frau ihrem Mann unterordnet, und dass es „gut“ sei, wenn Frauen nicht predigen dürfen. [1]

Vielleicht kann man den einen oder anderen noch dazu bewegen, es für eine gute, meinetwegen auch die beste Lösung zu halten, wenn man sagt, dass Männer nicht bereit seien, sich Frauen unterzuordnen, und Frauen eben zurückstecken müssen, wenn man die Männer mit ins Boot holen will. Wenn man ihnen die moralische Überlegenheit zuspricht, dann sind recht viele Frauen bereit, die Unterordnung zu akzeptieren. Vielleicht, vielleicht, mit viel Mühe, kann man sie noch überreden, dass es auch für die Frau das Beste ist, wenn sie sich dem Mann unterordnet. Wenn man anerkennt, dass sie schwächer sind, dass sie Opfer sind, und den Kampf gegen die Männer sowieso verlieren würden, dann sind sie vielleicht auch dazu bereit. In der Praxis überlassen Frauen Männern immer wieder die Führung, aber zugeben, dass es das Beste sei? Oder auch nur „gut“?

Wirklich schwierig wird es aber, wenn man verlangt, dass Christen die Lösungen „gerecht“ nennen. Es ist erstaunlich, wie viele Christen eher bereit sind, Gott ungerecht zu nennen, was die logische Folge ist, als die biblischen Regelungen zu Männern und Frauen „gerecht“ zu nennen.

Männer

Auf den ersten Blick mag es ja für den Mann „gut“ sein, dass er die Führung hat, aber welcher Mann glaubt, dass es „gerecht“ sei? Dass er als Mann einen Anspruch auf Führung hat, weil er ein Mann ist? Dass das gerecht ist, und nicht nur als eine Regelung Gottes ist, die auch anders hätte getroffen werden können?

Das tut weh, das tut innerlich weh, auch den meisten Männern.

Auf den zweiten Blick gibt es auch anscheinend einen Grund für diesen Schmerz: Wenn den Mann die Führung zukommt, gerechterweise zukommt, und dann kommt dem Mann auch die Führungsverantwortung zu. Gerechterweise.

Wenn ein Mann Christ sein will, dann kann er nicht die für ihn bequemste Lösung wählen; Gott hat gesagt, dass er eine solche Selbstsucht schwer bestrafen wird. Vielmehr muss sich der Mann für das entscheiden, was richtig ist; das ist oft auch für ihn unbequem, und oft ist nicht klar, was überhaupt richtig ist. Führungsverantwortung ist eine Last. – Es gibt einen Grund, warum die Menschen, die sie übernehmen, besser bezahlt werden als die, die sich unterordnen.

Aber im Beruf sind Männer immer wieder bereit, diese Last auf sich zu nehmen, in Kirchen und Vereinen oft sogar ehrenamtlich. Viele Christen sagen auch ganz vernünftige Dinge zum Leiten und Leiden, zu Führung und Verantwortung. Und sie haben oft kein Problem, ihren Führungsanspruch zu rechtfertigen. Gleichzeitig erkennen ihre Mitmenschen diesen Führungsanspruch auch an, sie ordnen sich unter. Sicher gehen in Gemeinde und Beruf auch immer wieder Dinge schief, aber erstaunlich oft klappt es auch. Aber wenn Männer in der Ehe führen sollen, dann gibt es regelmäßig ein Problem. – Auch bei den Männern, deren Führungsposition sonst anerkannt wird.

Um das zu präzisieren: Menschen machen ihren Vorgesetzten in der Arbeit immer wieder Vorwürfe. Zum Teil sind sie wohl gerechtfertigt, zum Teil liegt es nicht in der Macht des Chefs, die Dinge zu ändern, auch er unterliegt Sachzwängen, zum Teil sind die Ansprüche auch ungerechtfertigt. In aller Regel sind das aber Punkt, über die man reden kann, wenn beide Seiten bereit dazu sind. Gegen manche Männer werden ebenfalls nachvollziehbare Vorwürfe erhoben; wenn zum Beispiel der Mann arbeitslos ist, keine Anstalten macht, sich eine Arbeit zu suchen, nur Videospiele macht, und den Haushalt genau wie die Erwerbsarbeit der Frau überlässt. Oder die Ehe bricht. Oder säuft und im Rausch seine Frau schlägt. Das gibt es, und da ist Unterordnung sicher schwierig. Andererseits muss sich eine solche Frau fragen lassen, warum sie sich mit solch einem Mann überhaupt eingelassen hat. In der Regel war er doch schon so, als sie ihn kennen gelernt hat. Es gibt aber auch pflichtbewusste Männer, die in die Arbeit gehen, und zusätzlich Aufgaben im Haushalt und der Kindererziehung übernehmen, und auch ihnen werden Vorwürfe gemacht; zum Beispiel weil der Mann in der Bibel liest. Da ist dann nicht so klar, was daran falsch ist.

Bei einem Christen sollte man es für normal halten, dass er in der Bibel liest, ja sogar für einen Hinweis, dass er seinen Glauben ernst nimmt. Was hat eine Frau erwartet, als sie einen Mann geheiratet hat, der in seiner Gemeinde predigt? Und würde sie ihn ernst nehmen, wenn er nicht in der Bibel lesen würde? Aber immer wieder bekommt ein Mann einen Vorwurf dafür, weil er statt dessen auch mit den Kindern spielen könnte. Sicher kann ein Mann immer etwas Anderes tun, das auch sinnvoll wäre; vielleicht liest er ja tatsächlich zu viel in der Bibel. Es wird aber oft nicht klar, wie viel Zeit im Wort denn o. k. wäre, und wie viel Zeit mit den Kindern genug. Wenn man etwas nachbohrt, dann kommt man darauf, dass es ja nicht das Problem ist, dass er in der Bibel liest, sondern dass er die Kinder „nicht liebt“. Bei genauerem Hinsehen stellt man dann fest, dass er in Wirklichkeit mit seinen Kindern gespielt hat, nur zählt das nicht, weil er seine Kinder „nicht liebt“. Dieses „nicht Lieben“ lässt sich aber regelmäßig nicht konkret festmachen: Popelkram, Mikrosünden, Dinge, die man mit guter Begründung auch anders sehen kann, und hin und wieder etwas, das tatsächlich besser hätte laufen können. Nichts mit Substanz, aber immer der große Vorwurf. Einmal meint der Mann, die Kinder sollten eine halbe Stunde früher ins Bett, dann hat er kein Verständnis für ihre Bedürfnisse. Ist es andersherum, und der Mann meint, sie sollten eine halbe Stunde länger aufbleiben dürfen, dann ist er nicht bereit, sich durchzusetzen. Es ist nie eine Meinungsverschiedenheit, bei der auch die Gegenseite vernünftige Gründe oder auch nur guten Willen haben kann, nein, es ist immer ein Charakterfehler, der den Mann zu seinem Verhalten bringt.

Abgesehen davon funktioniert das auch andersherum: Man kann Männern nicht nur Eigenwillen und selbständige Entscheidungen vorwerfen, sondern auch Mangel an Männlichkeit. Mal wollen sie „nur das eine“, das andere Mal verschaffen sie der Frau nicht den nötigen „Kick“ im Bett. Und was es dergleichen mehr gibt. In solchen Situationen kann man reden was man will, es gibt keine Lösung. Nicht nur, dass der Mann nicht bereit dazu wäre, es gibt nichts, was die Frau als „genug“ anerkennen würde.

In den Gemeinden passiert das nicht ganz so oft, aber auch dort wird dasselbe Spiel gespielt: Im Eheseminar sagt man den Männern, ihr Platz sei nicht in der Gemeinde, sondern bei ihrer Familie. Im Gemeindeseminar fragt man dann, wie es kommt, dass sich immer Frauen freiwillig melden, während „die Männer“ „Zeit für ihre Familien brauchen.“ Überlegungen, was ein sinnvoller Kompromiss sei, was ein Mann in seiner begrenzten Zeit überhaupt leisten kann, und welche Ansprüche übertrieben sind, gibt es nicht.

Auf den dritten Blick sieht man also: Der Widerstand von Frauen, die Führung des Mannes anzuerkennen, hat andere Gründe. Dessen muss man sich bewusst sein. Es ist einfach verlogen, wenn man den Widerwillen der Frauen auf ein „Versagen“ der Männer zurückführt, während sich die Frauen auf der Arbeit problemlos einem Chef unterordnen, der sie wesentlich schlechter behandelt als ihr eigener Mann.

Lösung?

Eigentlich sollte ich hier jetzt die Lösung präsentieren. Oder auch nur eine schlüssige Erklärung. Ich habe sie nicht.

Ich könnte mich auf den Sündenfall beziehen, und die göttliche Aussage zitieren „dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.“ (1. Mo 3, 16ef). Das mag theologisch auch richtig sein, aber ich sehe es nicht als zielführend an. Am Ende steht man wieder bei der Haltung, bei der ich oben angefangen habe: Das war eine göttliche Entscheidung, die ich akzeptieren muss, die ich aber für ungerecht halte.

Darum argumentiere ich psychologisch, im wissenschaftlichen Sinn [2]: Der Widerwillen lässt sich beobachten, und er lässt sich praktisch schlecht erklären: Im Beruf, und oft auch in der Gemeinde, wird die Führung unvollkommener Männer anerkannt, und in der Ehe wird die Führung derselben Männer nicht. Anderes Beispiel: Viele Mütter erwarten, dass ihre Kinder ihrem Vater vertrauen, und ihm gehorchen. Sie selber sind aber nicht bereit, demselben Mann zu gehorchen und zu vertrauen. [3]

Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Ohne greifbare Lösung.

Übrigens auch für Frauen ohne Lösung. Nicht nur Männer müssen zur Kenntnis nehmen, dass Frauen immer einen gewissen Widerstand gegen die Führung von Männern spüren werden, ganz gleich, wie viel Mühe sich ein Mann gibt, und das um so stärker, je näher sie diesen Männern stehen. Frauen müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein gewisses Gefühl von Widerwillen und Enttäuschung nie aufhören wird. Es liegt nicht am Mann, und ganz gleich, welche Forderung sie durchsetzen konnten, das Gefühl wird bleiben. Andersherum bringt ihnen auch Unterordnung nicht das Gefühl von Anerkennung und Sicherheit, das sie sich gewünscht haben.

Wenn man fromm ist, dann bekommt man die Bibelstelle 1. Mo 3, 16 vielleicht schlecht aus dem Kopf. Die Konsequenz bleibt aber dieselbe: Es war eine göttliche Strafe. Sie soll weh tun. Und es soll keine Lösung geben. Für den Tod gibt es auch keine Lösung, und das Unkraut wächst auch nicht, weil wir etwas falsch gemacht haben. Wir können nur anerkennen, dass es so ist, und weise werden. (Ps 90, 12) Und uns dann, wenn wir es anerkannt haben, dass es so ist, noch einmal überlegen, ob wir Gott wirklich ungerecht nennen wollen.

Anmerkungen

[1] Ich habe den Unterschied zwischen der Führung des Mannes in der Gemeinde und in der Ehe nicht herausgearbeitet. Das sind theologisch natürlich unterschiedliche Themen, aber der Widerstand dagegen ist derselbe.

Ich habe hier auch bewusst nicht erklärt, was in der Bibel genau geboten ist, und was nicht, weil es hier ebenfalls nichts zur Sache tut. Mir geht es hier um die Einstellung. Der Widerstand kommt immer, ganz gleich, wie die Dinge geregelt sind. In der Rechtsordnung der BRD zum Beispiel sind Männer und Frauen gleichberechtigt, und man hat trotzdem Probleme mit Männer in Führungspositionen. Nicht mit der Art und Weise, wie sie sich verhalten, sondern mit der Tatsache, dass sie Männer sind. Und selbst in Bereichen, in denen fast ausschließlich Frauen arbeiten, wie der Kindererziehung, gibt man Männern, alleine Männern, die Schuld.

[2]„Psychologische“ Begründungen werden oft verwendet, um die Verantwortung für das Verhalten eines Menschen auf seine Umgebung abzuwälzen. Ein bekanntes Beispiel ist die Behauptung, dass Ballerspiele zu Amokläufen führen. Das ist unwissenschaftlich. Natürlich beeinflusst die Umwelt das Verhalten eines Menschen. Man findet aber praktisch immer einen Menschen, der sich in einer ähnliche Situation anders verhalten hat. So gibt es zum Beispiel Tausende von Videospieler, die nicht Amok laufen. Es ist also unzulässig zu sagen, dass die Situation (Computerspiele) zu diesem Verhalten (Amoklauf) geführt hat. Oft ist es fraglich, ob überhaupt ein Zusammenhang besteht, und ob ein Verbot von Egoshootern die Taten verhindert hätte.

Diese Art von „Psychologie“ ist Ideologie, keine Wissenschaft, und genau das mache ich hier nicht: Ich erfinde auch keine wissenschaftlich klingenden Erklärungen für das Verhalten der Menschen. Ich stelle hier nur fest, dass dieses Verhalten so ist. Das ist beobachtbar, und Andere, die sich dasselbe Verhalten ansehen, sollten zu demselben Ergebnis kommen.

[3] Die psychologische Beobachtung hat den zusätzlichen Vorteil, dass Ungläubige, oder Christen, die die Bibel „nicht so wörtlich verstehen“, die Argumentation ebenfalls ernst nehmen müssen. Es ist kein theologisches Problem, das Nichtchristen nicht betrifft. Es ist ein praktisches Problem, das einem Christen eher auffallen sollte, weil es den Geboten seines Glaubens widerspricht. Es gibt aber einige Internetauftritte, die sich mit der „Undankbarkeit“ von Frauen auseinandersetzen. Und zahlreiche, die das „Versagen“ anprangern. Das zeigt, dass das auch für Nichtchristen ein Thema ist.

Und dass auch sie gut daran tun, wenn sie anerkennen, dass die Probleme mit etwas mehr „Beziehungsarbeit“ nicht zu lösen sind.

Stand: 10.11.2012