Piratenliebe

Im Supermarkt vor der Kasse sieht man immer wieder diese Hefte, in denen ein muskelbepackter Mann eine Frau mit langen Haaren und großem Ausschnitt nach hinten legt und küsst; im Fachhandel bekommt man dasselbe auch in Buchform. Bei einem dieser Bücher lautete der Untertitel: „Er war der Schrecken der Meere, doch sein Herz war voller Zärtlichkeit“. Nachdem es so viele davon gibt, und sie anscheinend für Frauen gedacht sind, muss ich davon ausgehen, dass der Inhalt doch einige Frauen anspricht, in irgendeiner Form die wohl meisten; die entsprechenden Hefte und Bücher für Männer, mit Cowboys und so, sprechen bei den Männern ja auch eine Sehnsucht an - selbst bei den Männern, die diese Literatur für billigen Schund halten.

Wahre Männlichkeit

Das, was in den Heften dargestellt wird, muss wohl die „wahre Männlichkeit“ sein, die „die Männer“ - und damit auch ich - verloren haben sollen, und die die Frauen nun vermissen. Nun, liebe Pastoren und Männlichkeitsberater, wie mache ich das, dass ich der Schrecken der Meere werde? Die Kriegsflotten der Länder haben Fregatten, Kreuzer, Schlachtschiffe und Flugzeugträger, wie besiegt man die? Einfach einmal zum Vergleich: Es hat noch nie weltweit agierende Piraten gegeben; genau das ist doch der Trick dabei, dass man unbewaffnete, oder zumindest relativ leicht bewaffnete, Handelsschiffe angreift, und sich versteckt, wenn stärkere Kriegsschiffe kommen. Das geht aber nur, wenn an Land irgendeinen Unterschlupf hat. Genau deswegen sind die Piraten ja heute vor der Küste von Somalia, denn dort gibt es keine Regierung, die die Küsten kontrolliert. Früher waren die Piraten in der Karibik, wo damals keine Regierung eine effektive Kontrolle hatte. Wenn ein Pirat dagegen weltweit agieren wollte, dann müsste er irgendwo Wasser und Lebensmittel aufnehmen, und würde geschnappt, wenn er in den Hafen kommt.

Noch mehr würde es mich allerdings interessieren, wie man das macht, dass man als Christ ein Pirat ist, und dabei sein Seelenheil nicht verliert. Mein Vater kann mir das nicht erklären, und wenn das die „wahre Männlichkeit“ ist, dass man als christlicher Pirat die Weltmeere unsicher macht, dann hat er sie nicht. Meines Wissens hat mein Vater keinerlei Erfahrung in Piraterie, so weit ich weiß ist er nie der Schrecken von irgendjemand gewesen, geschweige denn aller Weltmeere. Er hat seine Familie durch eine Arbeit versorgt, bei der ein Christ keine Gewissensbisse haben muss, und auch ich verdiene mein Geld in einem Beruf, über den es keine Schundromane gibt.

Zärtlichkeit

Doch kommen wir zum zweiten Punkt, der „Zärtlichkeit“ - die fehlt mir ja anscheinend auch. In den Romanen begehrt immer wieder der Mann eine Frau, und „nimmt“ sie, küsst sie, oder auch mehr, und fragt nicht, ob sie einverstanden ist. Wie zum Beispiel in „Im Bann des Piraten: Er nahm sie gefangen -…“ oder „Die Sklavin des Wikingers“. Nach heutigen Maßstäben wären so etwas „Vergewaltigung“ und „Menschenraub“. Auch da, liebe Pastoren und Männlichkeitsberater, wollte ich gerne wissen: Wie macht ihr das, wenn ihr Frauen als Sklaven fangt? Brandmarkt ihr sie? Oder reicht ein eiserner Ring um den Hals? Und wie ist es bei Euch? Freuen sich die Frauen, wenn ihr sie vergewaltigt? Ach, ihr tut „so etwas nicht“? Gut, ich mache „so etwas“ auch nicht - heißt das nun, dass mir die Zärtlichkeit fehlt? Anscheinend schon. Vielleicht muss man nur weltweit agierender christlicher Pirat sein, dann freuen sich die Frauen, wenn sie vergewaltigt werden. Da sich die Zahl der christlichen Piraten aber sehr in Grenzen hält, und die Zahl der weltweit agierenden erst recht, wird man das wohl nicht so bald erfahren. Dass ich als Mann versagt habe, wenn ich nicht so lebe, das erfährt man fast an jeder Ecke.

Genau um die zwei Dinge geht es in diesen Romanen: Um einen Mann, der einer Frau Reichtum, Macht und Ansehen bringt. („Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne“) Und um einen Mann, der diese Frau sexuell begehrt - häufig übrigens Frauen, die eigentlich nicht so weit ob in der Rangliste der Männer gestanden hätten, in der „Sehnsucht des Freibeuters“ ist sie beispielsweise schon nicht mehr ganz jung, in einem anderen pummelig. - Es ist die alte Geschichte von Schneewittchen und von Aschenputtel, Geschichte von dem Prinzen, der eine einfaches Mädchen nimmt, und sie zur Königin macht.

Nur mit einem kleinen Unterschied: Sowohl Schneewittchen als auch Aschenputtel haben treu gedient, bevor sie geheiratet wurden, und das muss die moderne Frau nicht mehr. Die, die sie geheiratet haben, waren dann auch Prinzen, und keine Piraten.

Und die Männer

Über die Wünsche der Männer habe ich unter Cowboyliebe geschrieben.

Stand: 15.07.2016