Cowboyliebe

In den Liebesromanen für Frauen kommt der braungebrannte, durchtrainierte, charmante Landarzt vor, der endlos Zeit hat, sich mit der Frau seiner Wahl zu befassen.

Die meisten Männer hätten kein Problem damit, dieser Landarzt zu sein, statt ihres Jobs als Sachbearbeiter im Rechnungswesen. Aber wenn sie sich nach der Arbeit noch um ihren Körper und ihren Teint kümmern, und vielleicht noch ein paar praktische Aufgaben auf sie warten, dann bleibt nicht mehr viel Zeit für die Partnerin. Und wenn sie tatsächlich ein junger Arzt sind, dann wird das mit der Zeit – oder besser, dem Mangel daran - noch viel schlimmer. – Sprich, es sind praktische Probleme, sicher auch ein Stück die Trägheit, die die Männer nicht so sein lässt, wie die Frauen sie sich wünschen, nicht die Tatsache, dass Männer sich grundsätzlich etwas anderes wünschen.

Gut, die Frauen könnten in den Wünschen der Männer auch anders aussehen, als in der Realität. Aber da wären die Frauen doch genauso willens, so auszusehen, wie das den Wünschen der Männer entspricht. Die Vorstellungen vom Glück sind da nicht so unterschiedlich.

Gut, nicht alle Frauen wollen einen sportlichen, braungebrannten, charmanten Landarzt, manche wollen auch einen sportlichen, braungebrannten, charmanten Schlossbesitzer, oder einen sportlichen, braungebrannten, charmanten Geschäftsmann – oder noch etwas anders, da gibt es sicher Unterschiede. Auch Männer haben unterschiedliche Vorstellungen, manche bevorzugen Körbchengröße DD, und andere E. Es mag auch unterschiedliche Vorstellungen davon geben, wie lange ein Vorspiel sein sollte, und in der Praxis streitet man sich dann, ob man an dem einen Abend im Monat, für den man einen Babysitter gefunden hat, ins Kino oder ins Theater geht. Das ist sicher ein Unterschied, aber doch ein recht geringer.

Ich habe das eben etwas klischeehaft gezeichnet, weil ich auf den Unterschied hinwiesen wollte: Die Filme und Bücher, die Männer interessieren, handeln nicht im entferntesten von Glück. Ist James Bond glücklich? Ist Old Shatterhand glücklich? Ist James T. Kirk vom Raumschiff Enterprise glücklich? Ich denke, „glücklich“ ist keine Eigenschaft, die man ihnen zuschreiben würde. Ähnlich wie in den Märchen kommt Glück allenfalls am Anfang vor, als etwas, das es wiederzuerlangen gilt, oder am Ende, als Ergebnis eines siegreichen Kampfes.

Die Männer, die da dargestellt werden, sind siegreich, interessant und gerecht. Es mag Antihelden geben, aber niemand mag sich mit einem ungerechten Menschen identifizieren. Im realen Leben mögen Männer ebenso wenig dem Ideal „siegreich, interessant und gerecht“ entsprechen, wie sie dem Ideal „glücklich“ entsprechen. Vielleicht entsprechen sie dem noch weniger. Die meisten Männer verbringen mehr Zeit mit der Pflege ihrer Partnerschaften, als mit dem Kampf für eine bessere Welt. Die meisten verbringen auch mehr Zeit mit Sport, als mit dem Kampf für eine bessere Welt. Und wenn es Männern um eine bessere Welt geht, dann sind das meistens Stammtisch-Diskussionen. Gut, es gibt auch „Passiv-Sport“, aber da sieht das Verhältnis meines Erachtens nicht ganz so schlecht aus.

Unter dem Strich sind die meisten Männer immer noch mehr „Landarzt“ als „Raumschiff-Kapitän“. In der Tat gibt es zahlreiche Ärzte auf dem Land, aber keinen einzigen Raumschiff-Kapitän. Die wenigen Astronauten, die es gibt, sind eher Raumfähren-Piloten, als Raumschiff-Kapitäne, sie erforschen keine fernen Planeten. Und sie kämpfen nicht für Gerechtigkeit. Cowboys gibt es ein paar, aber die hüten Vieh, und jagen keine Verbrecher. Geheimagenten gibt es in großer Zahl, aber die durchsuchen das Exabyte an Daten, das täglich im Internet übertragen wird. Ein Exabyte sind 1.000.000.000.000.000.000 Byte, und das meiste davon ist jetzt nicht soo interessant.

Verglichen mit ihrem Ideal fallen die Männer weit zurück; die meisten tun wenig, und die wenigen, die sich einsetzen, sind nicht entfernt so gerecht wie Old Shatterhand. Aber wenn man das Verhalten der Männer nicht mit ihrem Ideal, sondern mit dem Verhalten von Frauen vergleicht, dann sieht das anders aus. Der meiste Kampf, die meisten Siege, und auch die meisten Niederlagen, gehen auf das Konto von Männern.

Und wenn so wenige Frauen in der Liste der Weltverbesserer auftauchen, dann liegt das nicht daran, dass man sie nicht gelassen hat, sondern daran, dass die meisten Frauen nur einen Blick für ihr persönliches Glück hatten.

Stand: 15.07.2016