„Beziehungen“

Ich habe etwas gegen „Beziehungen“, um nicht zu sagen sehr viel. Das heißt, ich habe nichts gegen andere Menschen, und pflege kollegiale Verhältnisse mit Kollegen und Freundschaften mit Freunden. Ich habe aber ein Problem mit Beziehungen, für die es kein richtiges Wort gibt. Wenn man sagt, man habe „Beziehung“ zu einer Frau, oder als Frau zu einem Mann, dann meint man damit etwas, das keine Freundschaft ist, weil es Sex einschließt, was nicht zu dem gehört, was man normal unter Freundschaft versteht. Es ist aber auch keine Ehe, weil man nicht vorhat, zusammenzubleiben. Weil es kein richtiges Wort für diesen Zustand gibt, nennt man es „Beziehung“, und diesen Zustand mag ich nicht.

Es gibt noch eine andere Beziehung, für die es keinen Namen gibt, und die wird in - ach, dafür gibt es auch keinen Namen. Sagen wir also, in „christlichen Kreisen“ werden auch „Beziehungen“ gepflegt. Man muss nur einmal darauf achten, wie oft man dort etwas eine „Beziehung“ nennen muss, weil kein anderes Wort passt. In diesen christlichen Kreisen baut nun der „Obere“ zum „Unteren“ eine Beziehung auf. Entweder der Leiter zu dem, den er leitet, oder der Christ zu dem, den er bekehren will. Eine Freundschaft kann man so etwas nicht nennen, denn man baut die „Beziehung“ ja nur auf, weil man etwas von ihm haben will, vom Ungläubigen, dass er sich bekehrt, vom Mitarbeiter, dass er unbezahlt Dienste übernimmt.

Damit sich der, der nun bekehrt oder geleitet werden soll, auch Ernst genommen fühlt, hört man ihm zu. Nicht weil er vielleicht etwas Wichtiges zu sagen hat – auch ein Nichtbekehrter kann wertvolle Anregungen geben – nein, deswegen hört man ihm nicht zu, sondern damit er sich Ernst genommen fühlt – ohne es wirklich zu sein. Man muss nur einmal darauf achten, wie oft in christlichen Veröffentlichungen davon gesprochen wird, dass sich Menschen ernst genommen fühlen sollen, ohne dass man sich mit ihren Ansichten auseinandersetzt.

Man hat den Kinder Gottes vorgeworfen, sie würden sexuelle Reize und Sex als Mittel benutzen, um Mitglieder zu gewinnen, und Geld zu beschaffen. Inwieweit das stimmt weiß ich nicht, wo ich die Realitäten kenne waren sie deutlich anders, deutlich normaler, als das, was die Sektenaufklärung beschrieben hat. Aber wie dem auch sei, „Beziehungsarbeit“ ist ein ähnliches Prinzip, nur dass da nicht Sex, sondern Freundschaft als Lockvogel genutzt wird. Eine Freundschaft, die es aber nie geben wird.

Ich bestreite nicht, dass das funktioniert; sonst würde man es ja nicht machen. Ich glaube nur, dass es derjenige, der da manipuliert wird – genau das ist es ja, Manipulation – das irgendwann merkt. Eine Zeit lang mag das gut gehen, eine Zeit lang mag ein Mensch den Fehler bei sich selber suchen, wenn sein Vorschlag nicht angenommen wird, wenn er keine Hilfe für seine Probleme bekommt, oder wenn seine Fragen nicht beantwortet werden. Irgendwann aber merkt er, dass er gar nicht ernst genommen wird. Dass auf seine Kritik immer wieder nur mit Rechtfertigung geantwortet, oder gar „Therapiemaßnahmen“ für seine falsche Haltung eingeleitet werden. Dass er an seinen Problemen immer selber schuld ist. Dass alle seine Fragen nur Ausdruck seiner falschen Haltung sind, und dass es nicht nur ihm so geht, sondern allen anderen auch; es werden doch alle abgewimmelt, und es ist einfach unwahrscheinlich, dass die Gemeindeleitung immer recht hat, und die Anderen immer Unrecht.

Wenn dieser Punkt erreicht ist, dann wendet sich der Mensch enttäuscht ab, und schon wieder gibt es einen „beziehungsunfähigen“ Christen mehr. Dabei ist er gar nicht beziehungsunfähig ist; vielmehr wurde ihm keine echte Beziehung angeboten: Im Grunde genommen gab es in den Gemeinden kein Gegenüber, keinen Christen, der berechtigt ist einem Anderen zuzuhören. Die Gemeinde gibt vor, was zu geschehen hat, und der Einzelne kann daran wenig ändern.

Und man ist noch nicht einmal bereit, dazu zu stehen, dass eben einer oben steht und das Sagen hat, und der andere gehorchen muss, nein man fordert Offenheit und Vertrauen ein; eine Offenheit und ein Vertrauen, das man selber nicht bereit ist aufzubringen.

Anmerkung

Es gibt natürlich einen korrekten Einsatz für das Wort „Beziehung“; man kann von den „Beziehungen“ in einer Gemeinde sprechen, und wenn man damit meint, dass manche miteinander verheiratet sind, andere befreundet, und andere eben nicht, dann ist nichts Verwerfliches an diesem Begriff

Es gibt auch Beziehungen, die keinen eigenen Namen haben, wie die zwischen dem Leiter eines Teams und den Mitarbeitern. Für diese Beziehungen gibt es aber Regeln. Zu diesen Regeln gehört, dass der Leiter Verbesserungsvorschläge ernst nimmt. Diese Beziehung besteht aber vom ersten Tag an, an dem der eine Leiter ist, und der andere Mitarbeiter, – einschließlich der gegenseitigen Pflichten, – man muss sie nicht aufbauen. Viele werden dem sicher gerecht, oder bemühen sich wenigstens darum.

Es ist auch völlig normal, wenn das Vertrauen wächst.

Aber wenn man sagt, dass man in der Kinderstunde „Beziehungen“ zu den Kindern aufgebaut hat, dann frage ich mich schon, ob man da den Menschen auf der anderen Seite noch sieht, oder nur das zukünftige Gemeindemitglied.

Stand: 12.07.2016