Armes Frauenleben

Eine Frau hatte sich hohe Schuhe für ihren Job im Büro gekauft. Im Lauf des Arbeitstages bereiteten ihr die Schuhe aber zunehmend Schmerzen, sodass sie die Schuhe, so oft es ging, ausgezogen. Und dann, nach einem Tag, hat sie sie weggeworfen. Das kommt sicher öfter vor, wenn die meisten Schuhe wahrscheinlich erst einmal in den Kleiderschrank wandern, neue Sachen wirft man doch nicht weg, und erst nach Jahren in den Mülleimer.

Nun glaube ich nicht, dass ein Frauenleben arm ist, weil eine Frau keine Stöckelschuhe trägt. Diese Frau hatte aber Stöckelschuhe, für erstrebenswert gehalten; ganz offensichtlich, sonst hätte sie die Schuhe nicht gekauft, und keine Stöckelschuhe zu tragen ist, ebenfalls offensichtlich, ein Zurückbleiben hinter diesem Ideal.

Ich verlange von einer Frau auch nicht, dass sie bereit sein muss, ständig Schmerzen zu leiden, um seinem ästhetischen Ideal treu zu bleiben. Aber wenn sie festgestellt hat, dass die Füße im Laufe des Tages anfangen weh zu tun, kann sie dann nicht versuchen, sich daran zu gewöhnen? Jeden Abend die Schuhe so lange tragen, wie es geht, bis sie einen Tag damit aushält? Es wenigstens versuchen? Oder im Internet nachsehen, wie man das am besten macht? Vielleicht nur jeden zweiten Tag üben? Oder zusätzlich ein paar flache Schuhe in die Arbeit mitnehmen, und umziehen, wenn die Füße anfangen, weh zu tun? Was immer? Vielleicht geht es mit den eigenen Füßen tatsächlich nicht, aber muss man nach einem Tag aufgeben?

Natürlich kann man an der Stelle medizinische Bedenken anmelden; um diese medizinischen Bedenken ist es der Möchtegern-Stöckelschuh-Trägerin aber nicht gegangen, sonst hätte sie die Schuhe von vorne herein nicht gekauft.

Eine ähnliche Geschichte gibt es mit einem langen, engen Rock, der nach einem Tag in den Mülleimer gewandert ist, und auch die Geschichte gibt es bestimmt nicht nur diese eine Mal. Das verstehe ich noch viel weniger. Nicht, dass ich es nicht verstehen könnte, warum man lange enge Rocke unpraktisch finden kann, das ist ja durchaus einsichtig. Aber die Röcke werden noch nicht erst im Laufe des Tages eng, das muss man doch merken, wenn man ihn anprobiert. Wenn man da Zweifel hat, geht man damit nicht bis ans andere Ende des Ladens, und schaut, wie man damit zurechtkommt? Oder ob man nicht lieber einen Rock mit Gehschlitz nimmt, wenn einem die schmale Form gefällt; das gibt es doch auch.

Wie gesagt, finde ich ein Leben ohne Stöckelschuhe und ohne enge Röcke an sich nicht arm, aber wenn man sich für die A++-Lösung entscheidet, und hohe Schuhe kauft, weil halbhohe nicht gut genug sind, und dann erwartet, dass das einfach so funktioniert, dann macht man das bei Männern und im Beruf wahrscheinlich ebenso. Da soll dann der A++-Prinz kommen, und Aschenputtel heiraten. Ach ja, dass Aschenputtel im Märchen vorher mit Fleiß und Treue niedrige Arbeiten getan hat, das kommt in den Gedanken moderner Mädchen, die auf einen Prinzen warten, nicht mehr vor. Genauso wenig wie sie sehen, dass Schneewittchen bei den sieben Zwergen fleißig gearbeitet hat, bevor sie vom Prinzen geheiratet wurde. Im Beruf ist es dann das gleiche: Da soll der A++-Job auch ohne Vorbereitung und ohne Mühen kommen. Genau das tut er ein der Regel nicht. Die anderen Dinge im Leben, die man begehren könnte, haben in der Regel auch ihren Preis, und wer da die Flinte ins Korn wirft, weil sich nach einem Tag noch kein Erfolg eingestellt hat, der hat dann

ein armes Leben.

Um das klar zu sagen: Ich will hier nicht diese oder jene Lösung für richtig, oder ideal erklären. Es wird sicher Frauen geben, denen elegante Schuhe nicht wichtig sind, oder nicht wichtig genug. Oder denen flache Schuhe besser gefallen. Die sollen ruhig flache Schuhe anziehen. Für andere mögen halbhohe Schuhe und enge Röcke mit Gehschlitz eine Lösung sein, die elegant genug, aber noch erträglich ist. Sicher muss man auch dafür schon etwas aufbringen. Ein Kompromiss heißt, dass man auf beiden Seiten etwas aufgibt, in dem Fall mit unvollkommener Eleganz und unvollkommener Bequemlichkeit lebt. Wieder andere werden sich für die A-Lösung entscheiden, und dafür etwas mehr aufbringen. Ist es nicht fast immer so? Wir entscheiden uns bei vielen Dingen, ihnen nicht nachzustreben, weil sie uns nicht wichtig, oder nicht wichtig genug sind. Bei anderen wählen wir einen tragbaren Kompromiss, der uns auch schon etwas abverlangt. Und wieder andere Dinge lassen wir uns etwas kosten, weil sie uns wichtig sind.

In derselben Weise investieren die einen mehr in ihre Karriere als andere, in den Glaube, in Sport, oder Beziehungen.

Wobei es natürlich Frauen gibt, die ausgesprochen fleißig Stöckelschuhe tragen. Was ich es gesehen habe, erscheint es mir oft nicht schön, und auf seine Weise auch arm. Bei manchen reicht es nicht auf lange Haare, bei anderen nicht auf Röcke - beides hat sicher seinen Preis, beides wäre auch wichtig für eine feminine Ausstrahlung. - Die sie ja offensichtlich haben wollen, warum sonst tragen sie solche Schuhe? Wieder andere tragen dann auch Röcke, und ihre Haare halbwegs lang, aber ihr Gesicht ist missmutig, und ihr Verhalten ungeduldig und zickig. Auch diese Frauen haben ganz offensichtlich einen einfachen Ausweg gesucht; ihre Kleidung ist nicht Ausdruck der Bereitschaft, etwas für das Gegenüber zu tun, sondern eine Tarnung für ihren Egoismus.

Egal, ob eine Frau von ihrer Bequemlichkeit getrieben wird, oder von ihrer Eitelkeit, so und so erscheint mir ihr Leben

arm.